


Amrum
Vorige Woche habe ich den Film "Amrum" von Fatih Akin im Kino gesehen. Und die wunderbaren Landschaftbilder des Filmes erinnerten mich sofort an meinen Sommerurlaub auf dieser Insel. Damals zauberten Wolken und Sonne viele spannende Fotos auf meinen Kamerachip und die Weite an den Küstenabschnitten gaben mir das Gefühl zurück, nur ein Teil der Natur zu sein und nicht ihr Beherrscher.

Herbst
Die Sonne lächelt mich von meinem Platz am Schreibtisch hinweg, ich schnappe mir die Kameras und ziehe los. Denn heute Nachmittag kommt der Regen wieder – sagt der Wetterfrosch. Die Gedanken kreisen, manchmal ganz ohne Punkt und Komma, das andere Mal genau durchdenkend: eine Frischekur fürs Schreiben. Wieder zu Hause zunächst der Kaffee ...

Eine Reise auf den Darß
Der letzte Tag am Strand: Vom Dünenrand beobachten wir die Menschen, die Nackten und die Bekleideten. Ein Mann bar jeder Kleidung stolziert an der Wasserkante auf und ab, genau dort, wo die Strandspaziergänger ihren Weg an den Wellen entlang nehmen. Ja, wer hat, der hat oder auch nicht.
Später verabschieden wir uns vom Hafen in Wieck: Wir erobern eine Liege und nehmen noch einmal das Bild des Boddens in uns auf.
Eine Reise auf den Darß
Ja, der Wetterfrosch. Sitzt unten an der Leiter und sagt Regen voraus. Aber keine Spur davon. Der hatte wohl keine Lust die Sprossen hochzuklettern? So haben wir nichts für diesen Tag geplant und lassen einfach auf einer Liege im Hafen von Wieck die Beine und die Seele baumeln. Am Abend dann ein Konzert in der Seemannskirche von Prerow mit Klaus-André Eickhoff, Willi Platzer und Torsten Harder. Eine wunderbare Darbietung! Aber diese Kirchenbänke. Sie zwingen uns zu einem geraden Rücken, ist so gewollt: aufrechte Christenmenschen sollen wir werden.


Eine Reise auf den Darß
Auf dem Weg zur Seebrücke nach Prerow kaufe ich mir an einem Stand mit gebrauchten Büchern den Roman ›Was vom Tage übrigblieb‹ Später eine abendliche Rundfahrt durch den Bodden, ja, mit diesem Mississippi-Dampfer-Imitat; wir entdecken eine Herde Büffel im seichten Wasser, fühle mich nach Afrika versetzt. Über die Felder zurück nach Wieck, umschmeichelt von einem milden Abendlicht: wir bekommen ein Lächeln ins Gesicht gemalt.
Eine Reise auf den Darß
Heißa, welch ein Sturm. Wir erklimmen die Dünen bei Ahrenshoop und sofort piekt uns der feine Sand ins Gesicht. Wie nannten wir das früher? Tausend Nadelstiche? Wir stapfen gegen den Wind, aber nach kurzer Zeit fliehen wir wieder zwischen die Häuser. Oder war es doch eher der Appetit auf Fischsuppe? Das „Hohe Ufer“ führt uns wieder zum Strand, diesmal schiebt uns der Wind. Das Rauschen der Brandung und das Pfeifen des Sturmes lassen mich leise werden angesichts der Kraft des Windes und der Wellen. Plötzlich alles still, die Autotür schließt sich und wir fahren heim.


Eine Reise auf den Darß
Am Morgen wechseln sich Wolken und Sonnenschein in stürmischer Reihenfolge ab. Daher entscheiden wir, das Fahrrad wegen des zu erwartenden starken Gegenwindes (40 km/h) stehen zu lassen und schweren Herzens unser Auto zu nehmen. Eine schwarze Wolke rollt sich übers Meer heran und wir können uns nur noch in eine Ausstellung über die Seenotrettung retten. Später: Kaffeedurst. Aber 7.50€ für eine Tasse ausgeben? Nee, das wollen wir nicht unterstützen. Ab nach Hause.
Eine Reise auf den Darß
Hafenfest in Prerow, ich bin gespannt, was uns erwartet. Sehr überschaubar, sage ich mir bei der Ankunft. Die Sonne brennt vom Himmel und ich habe auch noch meine Mütze vergessen. Aber mit dem Fahrradhelm auf dem Kopf? Nee. Später suchen wir uns eine freie Bank und beobachten die Vögel im Schilf vor uns, staunen wieder einmal über die Flugkünste der Schwalben. Da tönt ein Hupsignal zu uns herüber und am Horizont schiebt sich der Umriss eines Raddampfers (natürlich ein Nachbau) mit seinen langen Schornsteinen entlang. Man denkt, er gleite über die Felder, da das Wasser nicht sichtbar ist.


Eine Reise auf den Darß
Heute fahren wir zu diesem legendären Weststrand, der soll unter Naturschutz stehen. Parke mein Fahrrad und krabble über die Düne hinunter zum Strand, verharre erstaunt: überall Badende, im Wasser, wie in der Sonne. Naturstrand? Zum Trost öffne ich mir, zurück auf der Terrasse der Ferienwohnung, die mitgebrachte Flasche Retsina. Köstlich. Da stört mich nicht mal mehr der Blick auf den Fahrradschuppen.
Eine Reise auf den Darß
Wir strampeln die schier endlose Fahrradstrecke von Prerow nach Zingst auf dem Ostseedeich entlang. Doch kaum angekommen, müssen wir wieder zurück. Denn der Freund wartet mit seinem Schiff im Hafen von Prerow auf uns. Natürlich gibt es noch ein Bier an Bord und es wird heftig getöttert ...


Eine Reise auf den Darß
Wie erleichternd kann eine Anreise mit dem Fahrrad sein: Hinfahren, Fahrrad irgendwo anschließen, fertig. Beobachte im Hafen von Wustrow zwei Zeesboote, die voller Touristen den Bodden erobern wollen. Und dann entdecken wir diese Kunstscheune, umgeben von reetgedeckten Bauernhäusern. So will ich auch wohnen. Zum Trost beschließt ein leckerer Salat den Tag.
Eine Reise auf den Darß
Der Freund kommt heute nicht mit seinem Schiff; zu viel Wind aus der falschen Richtung und zu hoher Seegang, schreibt er. So bleiben wir am heutigen Tag im Dorf, lesen, essen Kuchen. Am Abend lockt uns das schmeichelnde Abendlicht an den Hafen am Bodden und ich ergattere sogar eine dieser Holzliegen.


Eine Reise auf den Darß
Prerow. Wir machen uns auf den Weg und laufen diese lange Seebrücke entlang (720 m), die im letzten Jahre neu eingeweiht wurde. Und an deren Ende rundet sich wirklich dieser Nothafen ... Und wieder frage ich mich, woher diese vielen Fahrräder kommen, damals vor ungefähr zehn Jahren, wo es noch keine E-Bikes gab, waren es hier deutlich weniger ... Leider entdecke ich auf dem Rundgang durch das Naturschutzgebiet keine Hirsche, dafür aber wieder einmal einen leeren Akku in meiner Kamera. Ich habe zum wiederholten Male vergessen habe, diese auszuschalten..
Eine Reise auf den Darß
... Zuletzt erobern wir eine Bank direkt oben auf einer Düne. Die heißen Strahlen der Mittagssonne mildert der starke Wind, der uns die Haare zerzaust. Meine Gedanken kreisen, springen. Der Strand liegt noch herrlich leer dort unten, nur ab und an ziehen Wanderer mit Schuhen in der Hand am Wasser entlang. Ich beobachte ein Schiff, das weit draußen am Horizont entlang gleitet. Ist das eine Fähre?, frage ich mich. Später dreht das Schiff ab und verschwindet in die offene See.


Eine Reise auf den Darß
Eine Radtour von Wieck nach Ahrenshoop. Am Werre-Polder heftigster Wind von vorne, ich schalte in den zweiten Gang, den ich ansonsten nur an Steigungen nutze. Die Aussicht auf „die“ Fischsuppe am Parkplatz des Ortes verleiht uns ungeahnte Kräfte. Leider haben viele andere auch diese Idee und warten in einer Schlange vor der Ausgabe. Endlich, nur noch eine Person vor uns. Aber dann heißt es, die Suppe sei für heute alle, kommen Sie morgen wieder. Jetzt muss ein Backfisch reichen. Wir spazieren noch am Strand entlang, wo uns schwarze Wolken mahnen, doch lieber schnell den Heimweg anzutreten. Zum Trost schiebt uns der Wind zurück nach Wieck.
Rendsburg Nordkolleg
Eine Woche lang Tage des Erzählens bei Barbara Krohn. Eine erbauende und lehrreiche Zeit – wieder einmal. Denn ich lerne auch diesmal Neues, kann Fehler korrigieren. Und dann der Nord-Ostseekanal: "man hört ihn laut in der Nacht", sang einst Herbert Grönemeyer und meinte damit den Pulsschlag der Stahlwerke in Bochum, hier ist es der Pulsschlag der Schiffsdiesel großer Frachtschiffe, die den Kanal entlangziehen. Trotzdem für mich ein Ort der Entspannung und Ideenfindung.


Usedom
Drei Tage mit den Freunden im Achterland, gemeinsames langes Frühstücken, gefolgt von Fahrradtouren an der Strand bei Zinnowitz und als Höhepunkte, der Besuch in Lüttenort bei Maler Niemeier-Holstein: Ein beeindruckender Ort, genauso wie die Ausstellung in Ahlbeck mit Aquarellen von Hans-Jürgen Gaudeck. Zum Schreiben komme ich natürlich nicht, aber die Zeit reicht, um Eindrücke zu notieren, die ich ins Tagebuch übernehmen kann ...
Wieder zu Hause
Heute ein langer Spaziergang bis zu den Teichen, die früher einmal Lehmgruben waren, woraus die Ziegel für das rasante Wachstum Berlins gebrannt wurden. Zum Dank bekamen wir auf Kähnen den Hausmüll der Stadt in die Landschaft gespült. Ist aber schon lange her, die Natur begrünte den Tand der Menschen wieder und zum Glück gab es damals noch keine Plastik- oder Kunststoffe. Begegne niemandem, beobachte die Gänse und höre die Kraniche. So gesättigt, finde ich wieder in den Schreibfluss.


Das Schriftstellerhaus in der Elstermühle
Habe drei Tage dort verbracht und den Aufenthalt dort sehr genossen, vor allen Dingen den Freitag, wo der Frühling seine Muskeln spielen ließ. Am Morgen lockte mich der Nebel auf der Elster nach draußen, ich wollte am liebsten meine Kamera schnappen und losziehen ... Aber da fiel mir ein: Du hast ja diese Tage hier gebucht, um zu schreiben. Schade.
Der Storch ist wieder da
Nach so langer Abwesenheit muss natürlich das Nest ausgebessert werden. Bis Mitte August wird uns ab jetzt das Klappern der Störche in den Schlaf begleiten, die anfliegenden Vögel sich kurz in unserem Bierglas spiegeln, wenn wir draußen im Garten sitzen.


Uckermark
Sie wird sich Sorgen machen. Drei Tage war er verschwunden. Kein Ton, kein Wort. Nichts. Digital tot. Und jetzt geht sie nicht ans Telefon. Dabei fing alles so harmlos an:
Die Sonne schickte noch einmal ihr Licht auf die müden Felder, der rote Milan vor ihm suchte nach einem mühelosen Abendbrot am Straßenrand. Da setzte der Motor aus, der Wagen rollte noch einige Meter, dann Stille. Nur der warme Wind aus Westen blies einige Blätter auf die Windschutzscheibe. Die Dunkelheit kroch schon über die Pappelreihen am Horizont, da gab er auf und lief los, hoffte auf ein Auto, dass die Straße entlangkam. Aber stattdessen muss er durch einen Wald, Dunkelheit versteckt den Asphalt vor seinen Füßen, Geräusche aus dem schwarzen Dickicht erschrecken ihn. „Wölfe in der Uckermark“, diese Schlagzeile durchzuckte seine Gedanken. Endlich schlängelte sich die Straße wieder durch Felder, da lockte ein Fensterlicht seine Schritte auf einen Feldweg aus Betonplatten, die dort für die Ewigkeit vergraben waren.
Rotkäppchen heute: aus der Sicht des Wolfes
Nee. Bei solchem Wetter kriege ich nicht die Kurve. Überhaupt nicht. Kann mir mal einer sagen, wie ich einen Regenschirm tragen soll, ohne mich zu verraten? Früher war das anders, da regnete es zwar auch, aber es goss nicht wie aus Eimern, wie heute. Und kaum hört es auf, ballert die Sonne auf deine Haut und du kommst mit dem Heucheln nicht mehr hinterher. Wie soll bei solchen Extremen ein gestandner Räuber wie ich satt werden? Dazu diese blöde Verkleidung: Nachthemd und Mütze! Wer hat sich das denn ausgedacht, bei dieser Hitze? Und dann unter einer dicken Bettdecke liegen und warten, ja nicht einschlafen.. Also das habe ich mir in jungen Jahren ganz anders vorgestellt, als ich in die Fußstapfen des Leitwolfs trat. Einfach Beute machen, hieß es, danach erst einmal faulenzen, auf irgendeiner Lichtung dösen. Und heute? Kanzze vergessen.


Der Schlüssel
Endlich öffnet sich die Schublade, das Flurlicht blendet sofort, es riecht da draußen nach Guanchiale und Pecorino. Und nun? Ehe ich mich versehe, lande ich in einer Jacke. Es fährt heute der Mann, denn nichts passiert in dieser Tasche. Bei der Frau sähe das vollkommen anders aus. Aber bei dem? Nee, hier bin allein in der Dunkelheit. Da packt er mich und drückt so fest auf die Taste fürs Türöffnen, das mir die Luft wegbleibt. Und zum Ausgleich findet er das Zündschloss nicht, stochert herum und stößt dabei mehrfach gegen die Lenksäule. Vielleicht sollte er mal eine Brille aufsetzen? Endlich im Schloss, werde ich gedreht und dann heißt es: stillhalten. Hoffentlich fährt der Mann nicht an die Ostsee, denn auf langen Strecken schläft mir immer der Bart ein.
Vor langer Zeit
Der Weg schlängelt sich den Hang hinauf, still begleiten ihn die weißen Felder. Norbert stapft neben mir durch das Schneetreiben, trägt seinen Schlitten auf den Rücken, um auf diese Weise mit seinen Händen die Wärme der Hosentaschen zu erreichen. Meine Schuhe? Völlig durchnässt. „Wer war der Schnellste?“ Baucher mit Anlauf, die hohe Kunst den Mädchen zu imponieren. Ich landete in einem Bach. Ah, da vorn leuchten schon die Fenster der Siedlung. Ich freue mich auf Pfefferminztee, werde ihn nah am warmen Ofen trinken.


Der Bademantel
Ich habe lange nach ihm gesucht, überall, in jedem Schrank. Da hängt er vor mir, die Farben schon reichlich verblichen, aber zum Glück ohne Mottenfraß. Den Mantel trug ich oft, damals in dem kleinen Städtchen am Rande des Bergischen: du, mir gegenüber, eine Strähne fiel in dein Gesicht. Wie jeden Morgen studierteste du die Zeitung, trankst dabei in hastigen Schlucken den heißen Kaffee … Alles vorbei.
Ich nehme den Bademantel vom Bügel, krame in den Taschen. Vielleicht finde ich noch ein Wort von dir??

Donnerstag, der 5. Dezember.
Der Morgen:
Hinter der Tür, da wartet der Horizont, und dahinter was? Die Frage lasse ich jetzt so stehen, schließe die Tür. Von innen. Denn ich habe ja noch keinen einzigen Bissen gefrühstückt, von dem heißen, schwarzen und sausüßen Kaffee einmal abgesehen. Hinein in die Küche und mit einem großen Tablett voller leckerer Sachen auf den Balkon, in die Sonne. Auch wenn es draußen gerade mal 1° Plus ist. – So die weibliche Version.
Und die Männliche? Puschen an, höchstens ’raus zum Briefkasten und die Zeitung abschleppen, danach kauen, schlürfen und lesen – rundherum alles gemütlich warm. Und nicht mit Wintermantel, Schal und Wolldecke der Kälte trotzen. Wenn ich eines hasse, dann Krümel, die am Halse piken ...


